Ein Korsett für die Kreativität: Heike Reissig post-editiert einen Sachtext in DeepL

Ein Korsett für die Kreativität

Heike Reissig post-editiert einen Sachtext in DeepL und findet, dass die Essenz des Literaturübersetzens verloren geht.


Verwendete Abkürzungen

In meiner Reflexion verwende ich folgende Abkürzungen:

AT Ausgangstext
DL 1 Erste deutsche Fassung von DeepL, direkt nach Eingabe des Ausgangstexts
DL 2 Zweite Fassung nach ausschließlicher Überarbeitung mit Alternativvorschlägen von DeepL
ZT Zieltext nach Überarbeitung von DL 2 mit meinen eigenen Lösungen, ohne DeepL-Vorschläge

Meine Vorgehensweise

Zuerst las ich den AT, einen Ausschnitt aus dem Sachbuch What We Don’t Talk About When We Talk About Fat von Aubrey Gordon, erschienen 2021 bei Beacon Press.

Anschließend suchte ich manuell 25 Termini für das Glossar von DeepL aus, legte die Entsprechungen für den deutschen ZT fest und gab alles ins Glossar von DeepL ein:

fat = dick, weight = Gewicht, body mass index = Body-Mass-Index, BMI = BMI,
obese = fettleibig, diet advice = Ernährungstipps, bariatric surgeon = Adipositaschirurg,
weight limits = Gewichtsgrenzen, MRI = MRT, CAT scan = CT-Scan, tests = Untersuchungen, anti-fat attitudes = Fat-Shaming, fat bodies = dicke Körper, consumerism = Konsumismus, consumption = Konsum, bullying = Mobbing, harassment = Belästigung, violence = Gewalt, empathy = Mitgefühl, misogyny = Misogynie, homophobia = Homophobie, sympathy = Verständnis, anti-fatness = Fat-Shaming, employment discrimination = Diskriminierung am Arbeitsplatz, airline policies = Richtlinien von Fluggesellschaften.

Danach gab ich den AT in DeepL ein und ließ DeepL übersetzen. Diese erste deutsche Fassung, die von DeepL mithilfe des zuvor von mir eingesteuerten Glossars erstellt wurde, kopierte ich in Word und speicherte sie unter der Bezeichnung DL 1; sie enthält noch keine Bearbeitung durch mich.

Sodann überarbeitete ich DL 1 innerhalb von DeepL ausschließlich mithilfe von Vorschlägen, die mir von DeepL gemacht wurden, also ohne Berücksichtigung von eigenen Vorschlägen. Ich kopierte diese zweite Fassung in Word und speicherte sie unter der Bezeichnung DL 2.

Abschließend überarbeitete ich DL 2 außerhalb von DeepL in Word mit meinen eigenen Lösungen, weil ich die Bedienoberfläche von DeepL als zu restriktiv empfand (mehr dazu später), und speicherte diese dritte Fassung unter der Bezeichnung ZT.

 

Unübersichtlichkeit frisst Zeit

Die erste Fassung von DeepL war qualitativ sehr durchwachsen. Gleich zu Beginn fanden sich haarsträubende Übersetzungsfehler:

  • AT: I have always been fat. Not chubby or fluffy or husky or curvy—fat.
  • DL 1: Ich war schon immer dick. Nicht mollig oder flauschig oder buschig oder kurvig-fett.
  • AT: “super morbidly obese”
  • DL 1: „super morbid fettleibig“

Es fanden sich jedoch auch Sätze oder sogar ganze Passagen, die DeepL auf Anhieb korrekt ins Deutsche übertrug, zumindest auf den ersten Blick. Beispiel:

  • AT: I do not struggle with self-esteem or negative body image. I do not lay awake at night, longing for a thinner body or some life that lies a hundred pounds out of reach. For me, my body isn’t good or bad, is [sic] just is. But for the rest of the world, it seems, my body presents major problems. Friends, family, strangers, and coworkers alike offer unsolicited diet advice and recommend bariatric surgeons.
  • DL 1: Ich kämpfe nicht mit meinem Selbstwertgefühl oder einem negativen Körperbild. Ich liege nachts nicht wach und sehne mich nach einem dünneren Körper oder einem Leben, das hundert Pfund außer Reichweite liegt. Für mich ist mein Körper weder gut noch schlecht, er ist einfach da. Aber für den Rest der Welt, so scheint es, stellt mein Körper ein großes Problem dar.

Beim näheren Hinschauen fanden sich jedoch Fehler. Beispiel:

  • AT: Other shoppers pick over my cart at the grocery store
  • DL 1: Andere stöbern im Supermarkt in meinem Einkaufswagen

Hier wurde der Begriff shoppers von DeepL nicht übersetzt.

 

Die 25 von mir festgelegten Termini wurden von DeepL mithilfe des angelegten Glossars auf Anhieb richtig übersetzt. Bei der Überarbeitung behielt ich jedoch nicht alle bei. Beispiel:

  • AT: (…) and recommend bariatric surgeons.
  • DL 1: (…) und empfehlen mir Adipositaschirurgen.
  • ZT: (…) und empfehlen mir sogar eine Magenverkleinerung.

Ich wählte hier eine freiere Übersetzung, weil der Begriff Magenverkleinerung weitaus geläufiger ist als der Begriff Adipositaschirurgen; darunter kann die Leserschaft sich sofort etwas vorstellen. Diese freie Lösung wurde mir von DeepL nicht vorgeschlagen.

Beim Klicken auf einzelne Wörter gab DeepL mir verschiedene Vorschläge für Alternativen; teils einzelne Wörter, teils Wortgruppen. Die Vorschläge waren mitunter durchaus brauchbar. Beispiel:

  • AT: I have always been fat. Not chubby or fluffy or husky or curvy—fat.
  • DL 1: Ich war schon immer dick. Nicht mollig oder flauschig oder buschig oder kurvig-fett.
  • DL 2: Ich war schon immer dick. Nicht mollig oder pummelig oder stämmig oder kurvenreich-fett.

Hier lieferte DeepL jedoch keinen brauchbaren Vorschlag, kurvenreich-fett zu korrigieren, etwa durch kurvenreich – dick oder kurvenreich, sondern dick. Das musste ich manuell erledigen:

  • ZT: Ich war schon immer dick. Nicht mollig oder pummelig oder stämmig oder kurvenreich, sondern dick.

Manchmal sorgten die Vorschläge von DeepL für Verwirrung und zogen Fehler nach sich.

Beispiel 1:

  • AT: My body mass index (BMI) describes my body as “super morbidly obese” or “extremely obese.”
  • DL 1: Mein Body-Mass-Index (BMI) beschreibt meinen Körper als „super morbid fettleibig“ oder „extrem fettleibig“.

Beim Klicken auf das Wort super wurde mir u. a. der Vorschlag stark … gegeben. Beim Klicken auf diesen Vorschlag passierte Folgendes:

  • DL 2: Mein Body-Mass-Index (BMI) beschreibt meinen Körper als “ stark krankhaft fettleibig“ oder „extrem fettleibig“.

DeepL änderte nicht nur das Wort super, sondern auch das nachfolgende Wort morbid, obwohl das beim Änderungsvorschlag gar nicht angezeigt worden war. Zudem generierte DeepL beim Ändern einen Zeichenfehler, zwischen dem Anführungszeichen und dem Wort stark erschien nun ein Leerzeichen. DeepL ersetzte die englischen Anführungszeichen leider grundsätzlich nicht durch deutsche. All das erforderte zusätzliche Aufmerksamkeit und Zeit.

Beispiel 2:

  • AT: For me, the size of my body is a simple fact.
  • DL 1: Für mich ist die Größe meines Körpers eine einfache Tatsache.

Beim Klicken auf das Wort Körpers erschienen ausschließlich folgende DeepL-Vorschläge: Körpergröße, Grösse, Länge, Angabe, richtige, Kleidergröße. Als ich den Vorschlag Körpergröße annahm, änderte DeepL wie folgt:

  • DL 2: Für mich ist die Körpergröße eine einfache Tatsache.

DeepL entfernte also das Personalpronomen und verfälschte dadurch den Sinn. Beim Klicken auf das Wort die konnte ich es zwar durch den Vorschlag meine ersetzen, doch diese notwendig gewordene Korrektur kostete mich zusätzliche Zeit. Aus dem Kontext ging zudem hervor, dass es bei size of my body hier nicht um die Körpergröße geht, sondern um den Körperumfang. DeepL lieferte keinen richtigen Vorschlag dafür. Daher musste ich das Wort manuell korrigieren. Meine Lösung lautete dann so:

  • ZT: Für mich ist mein Körperumfang eine schlichte Tatsache.

Ist die erste DeepL-Fassung falsch, kann geprüft werden, ob DeepL eine richtige Variante vorschlägt.

Beispiel:

  • AT: At my high school graduation, I wore a wrap top in the highest size I could find at the time—a women’s 24
  • DL 1: Bei meinem Highschool-Abschluss trug ich ein Wickeloberteil in der größten Größe, die ich damals finden konnte – Frauengröße 24.

Aus dem Kontext wird klar, dass es um die Highschool-Abschlussfeier geht. Beim Klicken auf das Wort meinem gab DeepL unter anderem den Vorschlag meiner Highschool-Abschlussfeier. Beim Wählen dieses Vorschlags änderte DeepL wie gewünscht. Üblich ist der Begriff Damengröße; diesen Vorschlag gab DeepL ebenfalls an und ändert den Satz entsprechend:

  • DL 2: Bei meinem Highschool-Abschluss trug ich ein Wickeloberteil in der größten Größe, die ich damals finden konnte – Damengröße 24.

Inhaltlich war der Satz richtig, doch unschön war, dass in ihm 2x das Wort Größe und 1x das Wort größte erschien. Da musste eine elegantere Lösung her, die vielleicht sogar die Syntax auflöste. Auf syntaktischer Ebene waren den Änderungsvorschlägen von DeepL allerdings Grenzen gesetzt. Meine eigene Lösung für den kompletten Satz lautete:

  • ZT: Bei meiner Highschool-Abschlussfeier trug ich ein Wickeltop in Größe 52; die größte, die ich damals finden konnte.

Diesen Änderungsvorschlag gab DeepL mir nicht. Was bei DeepL ebenfalls fehlte, war die Umwandlung von US-Kleidergrößen in deutschen Größen oder von Gewichtsangaben (Kilo statt Pfund) sowie die Übernahme von Formatierungen wie Kursivschrift. Das musste ich selbst erledigen.

Mithilfe von DeepL-Vorschlägen ließen sich Sätze nur Wort für Wort oder Abschnitt für Abschnitt verändern. Das war sehr zeitaufwändig. Beispiel:

  • AT: Although my body is not the fattest in existence, it is the fattest the BMI can fathom.
  • DL 1: Obwohl mein Körper nicht der fetteste ist, den es gibt, ist er der fetteste, den der BMI erahnen lässt.
  • DL 2: Obwohl mein Körper nicht der dickste ist, den es gibt, ist er der dickste, den der BMI sich vorstellen kann

Um die Fassung DL 2 mithilfe von DeepL-Vorschlägen zu bekommen, waren drei Arbeitsschritte nötig: Änderung des Wortes fetteste, Änderung des Wortes fetteste, Änderung des Segments erahnen lässt. Die Vorschläge standen jeweils untereinander in einem kleinen Fenster; ich konnte nicht alle auf einmal sehen, sondern musste umständlich auf und ab scrollen, um eine passende Lösung zu finden. Diese Unübersichtlichkeit kostete bei jedem Arbeitsschritt zusätzliche Zeit.

 

Englische Syntax und fehlender Stil

Viele der von DeepL übersetzten Sätze klebten an der Syntax des englischen Originals und waren zudem zu wörtlich übersetzt. Das führte dazu, dass die DeepL-Lösungen oft umständlich klangen und teilweise auch nicht auf Anhieb verständlich waren. Auf den ersten Blick sah die DeepL-Übersetzung häufig zufriedenstellend aus, doch bei näherem Hinschauen fiel auf, dass sie nicht rund oder idiomatisch klangen. Hier nur einige Beispiele von Passagen oder Sätzen, die die Fixierung auf die Syntax des AT und die zu große Wörtlichkeit der Übersetzung illustrieren:

Beispiel 1:

  • AT: I do not lay awake at night, longing for a thinner body or some life that lies a hundred pounds out of reach.
  • DL 1: Ich liege nachts nicht wach und sehne mich nach einem dünneren Körper oder einem Leben, das hundert Pfund außer Reichweite liegt.
  • ZT: Ich liege nachts nicht wach und sehne mich nach einem Leben mit fünfzig Kilo weniger auf den Rippen.

Beispiel 2:

  • AT: When I drive, disembodied shouts often echo from passing cars: GET OUT AND TRY WALKING FOR A CHANGE. These days, I mostly leave my windows rolled up.
  • DL 1: Wenn ich Auto fahre, hallen oft körperlose Rufe aus vorbeifahrenden Autos: STEIGEN SIE AUS UND GEHEN SIE ZUR ABWECHSLUNG MAL ZU FUSS. In diesen Tagen lasse ich meine Fenster meist hochgekurbelt.
  • DL 2: Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, höre ich oft körperlose Rufe aus vorbeifahrenden Autos: STEIGEN SIE AUS UND GEHEN SIE ZUR ABWECHSLUNG MAL ZU FUSS. Inzwischen lasse ich meine Fenster meist geschlossen.

Mithilfe der DeepL-Vorschläge war es nicht möglich, den Imperativ in eine duzende Version zu ändern. Für die Lösung hallen oft körperlose Rufe aus vorbeifahrenden Autos wurde kein guter Vorschlag gemacht. Beim Klicken auf das Wort hallen kamen die Vorschläge schallen …, ertönen …, höre …, hört …, erschallen … sowie schallt … Beim Annehmen des Vorschlags höre … änderte DeepL das Segment in höre ich oft körperlose Rufe aus vorbeifahrenden Autos. Für körperlose kamen dann die Vorschläge aus vorbeifahrenden …, Rufe …, leere …, die Rufe …, von vorbeifahrenden … sowie die körperlosen … Das war mir viel zu unübersichtlich, zu unvorhersehbar und zu kompliziert. Meine eigene Lösung sah dann so aus:

  • ZT: Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, höre ich Leute, die an mir vorbeifahren, häufig rufen: STEIG AUS UND GEH ZUR ABWECHSLUNG MAL ZU FUSS! Inzwischen lasse ich die Fenster meist geschlossen.

Beispiel 3:

  • AT: There is a minefield of abuse reserved for the very fat. I have come to view the world through the prism of that abuse, negotiating my days around reducing it.
  • DL 1: Es gibt ein Minenfeld des Missbrauchs, das für die ganz Dicken reserviert ist. Ich bin dazu übergegangen, die Welt durch das Prisma dieses Missbrauchs zu betrachten und meine Tage so zu gestalten, dass ich ihn reduzieren kann.

Für eine syntaktische Umstellung des Satzanfangs bot DeepL segmentweise die Vorschläge Für die besonders … und ist ein Minenfeld … Für die Ersetzung des Wortes Missbrauch wurde nur das Wort Misshandlung vorgeschlagen. Für das Prisma wurde die Brille vorgeschlagen. Nach Annahme dieser Vorschläge ergab sich diese Lösung:

  • DL 2: Für die besonders Dicken gibt es ein Minenfeld des Missbrauchs. Ich bin dazu übergegangen, die Welt durch die Brille dieses Missbrauchs zu betrachten und meine Tage so zu gestalten, dass ich ihn reduzieren kann.

Diese Lösung fand ich weder syntaktisch noch semantisch noch stilistisch noch unter dem Aspekt der Literarizität zufriedenstellend. Meine Lösung lautet dann so:

  • ZT: Auf Menschen, die besonders dick sind, wartet ein Minenfeld von Übergriffen. Meinen Alltag gestalte ich inzwischen danach, wie ich solchen Übergriffen aus dem Weg gehen kann.

Beispiel 4:

  • AT: I deploy a charm offensive, calming agitated aggressors before they get the chance to unleash their fury. I have learned how to keep abusers at bay alone, knowing that no one else will intervene to support or defend me. I have developed this sad and necessary skill set because, in my soft and certain marrow, I know that the abuse faced by fat people is not understood to warrant a reckoning
  • DL 1: Ich setze eine Charmeoffensive ein, um aufgeregte Angreifer zu beruhigen, bevor sie die Chance haben, ihre Wut zu entfesseln. Ich habe gelernt, Missbrauchstäter allein in Schach zu halten, weil ich weiß, dass niemand sonst eingreifen wird, um mich zu unterstützen oder zu verteidigen. Ich habe diese traurige und notwendige Fähigkeit entwickelt, weil ich in meinem weichen und sicheren Mark weiß, dass der Missbrauch, dem dicke Menschen ausgesetzt sind, nicht so verstanden wird, dass er eine Abrechnung rechtfertigt.

Für setze eine Charmeoffensive ein machte DeepL den Vorschlag setze auf eine Charmeoffensive, einen Vorschlag im Plural gab es nicht. Für aufgeregte kam der Vorschlag aufgebrachte. Für Angreifer kamen die Vorschläge Aggressoren, Täter, Gegner, Gewalttäter, Agressoren und Stürmer, allesamt unbrauchbar, da entweder falsch oder nicht gendergerecht. Für ihre Wut zu entfesseln kam u. a. der Vorschlag sich auszutoben. Für Missbrauchstäter kamen die auf Anhieb sichtbaren Vorschläge Täter …, mir …, Missbraucher …, die Täter …, Gewalttäter … sowie Angreifer …, weitere Vorschläge wurden beim Herunterscrollen sichtbar, es fand sich jedoch weder eine gendergerechte noch eine andere in diesem Kontext überzeugende Lösung. Für in Schach zu halten kam unter anderem der Vorschlag abzuwehren. Für in meinem weichen und sicheren Mark kam unter anderem der Vorschlag im tiefsten … Für der Missbrauch kam u. a. der Vorschlag die Übergriffe … , als erste in diesem Kontext überzeugende Lösung für diesen Begriff. Beim Ändern wurden die Deklinationen entsprechend angepasst.

  • DL 2: Ich setze auf eine Charmeoffensive, um aufgebrachte Angreifer zu beruhigen, bevor sie die Chance haben, sich auszutoben. Ich habe gelernt, Missbrauchstäter allein abzuwehren, weil ich weiß, dass niemand sonst eingreifen wird, um mich zu unterstützen oder zu verteidigen. Ich habe diese traurige und notwendige Fähigkeit entwickelt, weil ich im tiefsten Inneren weiß, dass die Übergriffe, denen dicke Menschen ausgesetzt sind, nicht so verstanden werden, dass sie eine Abrechnung rechtfertigen.

Für nicht so verstanden werden, dass sie eine Abrechnung rechtfertigen wurde von DeepL kein Vorschlag gemacht, der in Bezug auf Semantik und Literarizität geholfen hätte. Meine Lösung:

  • ZT: Ich setze auf Charmeoffensiven, um aufgebrachte Leute zu beruhigen, damit sie mich gar nicht erst attackieren. Ich habe gelernt, mit Personen, die mich angreifen, alleine klar zu kommen, weil ich weiß, dass niemand mir beistehen wird. Ich habe diese traurige aber notwendige Fähigkeit entwickelt, weil ich im tiefsten Inneren weiß, dass Übergriffe auf dicke Menschen als legitim gelten und daher auf breite Akzeptanz stoßen.

 

DeepL und gendergerechte Sprache

Gendergerechte Sprache wurde von DeepL meist nicht berücksichtigt; das musste ich übernehmen.

Beispiel 1:

  • AT: Friends, family, strangers, and coworkers alike offer unsolicited diet advice (…) Doctors refuse to treat me, and some offices set weight limits on the patients they’ll see (…).
  • DL 1: Freunde, Familienangehörige, Fremde und Arbeitskollegen geben unaufgefordert Ernährungstipps (…) Ärzte weigern sich, mich zu behandeln, und einige Praxen setzen Gewichtsgrenzen für die Patienten, die sie behandeln – Gewichtsgrenzen, die mein Körper zuverlässig überschreitet.

Für Freunde bot DeepL die gendergerechte Lösung Bekannte, für Arbeitskollegen zunächst die Lösung Mitarbeitende. Als ich jedoch die Lösung Bekannte annahm, verschwand der Vorschlag Mitarbeitende bei den Vorschlägen für Arbeitskollegen. Für Ärzte gab es keine gendergerechten Vorschläge. Für Patienten kam der Vorschlag zu behandelnde …, nach Akzeptieren des Vorschlags stand dort zu behandelnde Patienten. Für Patienten wurde dann der Vorschlag Personen gemacht.

  • DL 2: Freunde, Familienangehörige, Fremde und Arbeitskollegen geben unaufgefordert Ernährungstipps (…) Ärzte weigern sich, mich zu behandeln, und einige Praxen setzen Gewichtsgrenzen für die zu behandelnden Personen – Gewichtsgrenzen, die mein Körper zuverlässig überschreitet.

Meine eigene Lösung sah dann so aus:

  • ZT: Freund*innen, Familienangehörige, Fremde und Arbeitskolleg*innen geben mir unaufgefordert Ernährungstipps (…) Mediziner*innen weigern sich, mich zu behandeln, weil ich die von ihnen festgelegten Gewichtsgrenzen für Patient*innen regelmäßig überschreite.

Beispiel 2:

  • AT: Suddenly, people who otherwise relish complaining about delayed flights and cramped legroom become airlines’ staunchest defenders.
  • DL 1: Plötzlich werden Menschen, die sich sonst gerne über verspätete Flüge und beengte Beinfreiheit beschweren, zu den treuesten Verteidigern der Fluggesellschaften.

Es war unmöglich, diesen Satz mithilfe von DeepL-Vorschlägen auf rasche und unkomplizierte Weise gendergerecht zu verändern. Das ging nur manuell. Die syntaktische Umstellung, die ich in meiner Lösung vornahm, wurde als Vorschlag überhaupt nicht angezeigt. Hier meine Lösung:

  • ZT: Fluggesellschaften werden plötzlich leidenschaftlich von Leuten in Schutz genommen, die sich sonst gerne über Verspätungen und mangelnde Beinfreiheit beschweren.

 

Fazit: Ein störender Grundton

Die erste Fassung von DeepL war hinsichtlich der Qualität aus meiner Sicht größtenteils inakzeptabel. Die Bearbeitung dieser ersten Fassung mithilfe von DeepL-Vorschlägen eröffnete zwar viele Möglichkeiten zur Verbesserung, erwies sich jedoch aufgrund der Änderungsmethode von DeepL und der unübersichtlichen Bedienoberfläche als zu zeitaufwändig. Vielleicht wäre es schneller gegangen, ohne die Vorschläge von DeepL zu arbeiten und die erste DeepL-Fassung direkt selbst zu redigieren. Am schnellsten wäre es meiner Einschätzung nach jedoch gegangen, den AT direkt selbst zu übersetzen, ohne DeepL. Ob das tatsächlich zutrifft, müsste in einem anderen Experiment geklärt werden.

Der Hauptgrund, KI überhaupt einzusetzen, besteht ja in dem Wunsch, sich die Arbeit zu erleichtern und Zeit zu sparen. Leider hatte ich nicht den Eindruck, dass DeepL mir meine Arbeit als Literaturübersetzerin erleichtert, im Gegenteil. Die starke Fixierung von DeepL auf die Syntax des Originals und die ausgeprägte Wörtlichkeit der DeepL-Übersetzung bildeten ein Korsett, durch das ich mich in meiner sprachlichen Kreativität gehemmt fühlte. Die Lösungen von DeepL gaben mir eine bestimmte Struktur und einen Stil vor, und diesen schon angeschlagenen Grundton empfand ich als sehr störend für meinen eigenen Schaffensprozess. Ich hatte das Gefühl, das DeepL sich wie eine Scheibe zwischen das Original und mich schiebt. DeepL lieferte mir eine Vorlage, die stark bearbeitungsbedürftig war und meine Rolle veränderte. Bei der Arbeit mit DeepL wurde ich zur Übersetzungsbearbeiterin, die einen Text, der nicht von ihr selbst stammte, redigieren und obendrein auch noch mit dem Original abgleichen musste. Es gab nicht mehr zwei, sondern drei Texte: das Original, die maschinelle Übersetzung und das, was ich daraus machen sollte. Das fühlte sich völlig anders an, als direkt mit einem Originaltext zu arbeiten.

Direkt mit dem Original zu arbeiten ist ein organischer Prozess; die unmittelbare Nähe zum AT erlaubt es mir, ihn intensiv kennenzulernen, ihn allmählich zu erforschen und dabei meine eigene Weise zu entwickeln, ihn ins Deutsche zu übertragen. Ein ganz wichtiger Aspekt dieses Prozesses ist das Finden und Entwickeln der passenden Stimme. Durch die Arbeit mit DeepL hatte ich jedoch keinen unmittelbaren schöpferischen Zugang mehr zum Original. Ich fühlte mich weniger damit verbunden, weil der Fokus auf der zwischengeschalteten maschinellen Übersetzung und deren Überprüfung lag. Dadurch fühlte ich mich in meiner Arbeit massiv beeinflusst und beeinträchtigt.

Im Bereich Fachübersetzungen ist das Post-Editing von DeepL-Übersetzungen schon relativ verbreitet. Bei manchen Textsorten erleichtert maschinelles Übersetzen die Arbeit zweifellos, beispielsweise bei technischen oder juristischen Texten, gerade auch in Kombination mit dem Einsatz bereits bestehender Translation Memories oder Terminologiesammlungen. Das Übersetzen von Literatur bringt jedoch ganz andere Herausforderungen mit sich.

Mir erscheint es durchaus sinnvoll und hilfreich, DeepL bei Literaturübersetzungen punktuell einzusetzen, zum Beispiel bei einzelnen Sätzen oder Passagen. Ich halte es jedoch für keine gute Idee, komplette Romane, erzählende Sachbücher oder Essays mithilfe von DeepL zu übersetzen, weil DeepL zu syntaxverhaftet und zu wörtlich übersetzt, weil es die Arbeit eher nicht erleichtert, sondern sie noch komplexer und zeitaufwändiger macht, weil es zu stark in den Schaffensprozess von Literaturübersetzer*innen eingreift und weil es die Rolle der Literaturübersetzer*innen verändert.

Review

Der Zieltext (ZT) wirkt insgesamt durchaus gelungen, auch wenn es noch Verbesserungspotenzial gibt. Wobei anzumerken ist, dass natürlich jeder Text in immer weiteren Lektoratsschritten optimiert werden kann, nur steht eben irgendwann der Zugewinn an Qualität nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis zum Aufwand. Darüber hinaus spielen auch persönliche Vorlieben und Geschmack eine Rolle bei dieser Beurteilung.

Abgesehen von den auffällig gegenderten Formen, die in dieser Art von »Sachbuch«, das eher an einen persönlichen Erfahrungsbericht erinnert, vielleicht nicht die glücklichste Wahl sind, liest sich der ZT flüssig. Zwar merkt man, dass es sich um eine Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch handelt, aber der normale Leser würde wohl keine maschinengestützte Übersetzung vermuten, da die typischen Merkmale dafür in den manuellen Überarbeitungsschritten größtenteils ausgemerzt wurden.

Der beschriebene Arbeitsprozess entspricht dem beim Übersetzen des Romanausschnitts, da beide Male DeepL unter Einsatz der Glossarfunktion getestet wurde. Wie bei dem Roman erschließt sich auch bei diesem Sachtext der Mehrwert des Glossars offensichtlich nicht. Allerdings müsste noch geprüft werden, ob der Nutzen bei Fachliteratur größer ist. Ebenso ist es denkbar, dass die Verwendung eines Glossars bei Romanreihen und dem Einsatz eines Übersetzerteams oder speziellen Genres wie etwa historischen Romanen oder Fantasy- bzw. Science-Fiction-Literatur sinnvoll ist.

Die Überarbeitung in DeepL weist Verbesserungspotenzial auf – diese Funktion ist einfach technisch noch nicht ausgereift und zu fehleranfällig. Hier kann ich der Übersetzerin durchaus zustimmen, wenn sie sagt, dass es derzeit vermutlich sinnvoller sei, auf die Bearbeitung in DeepL zu verzichten.

Die entscheidende Frage beim Einsatz von Übersetzungssoftware ist, wie hoch der Aufwand der Nachbearbeitung ist – im Moment bringt die Verwendung von DeepL bei langen zusammenhängenden Texten vielleicht noch nicht den entscheidenden Vorteil, da hat die Übersetzerin sicher recht. Andererseits ist noch nicht absehbar, inwieweit sich auch hierbei durch KI-optimierte Anwendungen (etwa Umformulierungstools) oder entsprechendes Training der Software eine echte Arbeitserleichterung bzw. eine Zeitersparnis erreichen lässt.

Anders als von der Übersetzerin angeführt, ist der Einwand, DeepL verändere »die Rolle der Literaturübersetzer*innen«, kein Argument gegen den Einsatz der Software, sondern lediglich die Feststellung einer Tatsache. Der Wunsch, am Status quo festzuhalten, und die Überzeugung, eine von einem Menschen angefertigte Übersetzung sei besser als die der Maschine, ist nachvollziehbar, aber meines Erachtens weder realistisch noch zielführend.

 

Bild: Виталий Сова

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