»So kann ich nicht arbeiten«: Josefine Haubold über ihr Experiment mit DeepL

»So kann ich nicht arbeiten«

Josefine Haubold fühlt sich beim Übersetzen im DeepL-Webinterface bevormundet.


Ich werde also einen Ausschnitt aus dem Sachbuch von Aubrey Gordon, What We Don’t Talk About When We Talk About Fat, mit/in DeepL übersetzen und editieren. Ich muss sagen, dass ich dem mit gemischten Gefühlen entgegensehe. Seit dem Einführungsworkshop für das Projekt »Kollektive Intelligenz« habe ich zwischendurch immer mal wieder Textteile meines aktuellen Übersetzungsauftrags bei DeepL eingefügt und probeweise versucht, darin herumzueditieren. Theoretisch ist die Funktion, per Klick an einer bestimmten Stelle ein anderes Wort/einen anderen Ausdruck auszuwählen und den ganzen Satz automatisch umstellen zu lassen, eine gute Sache. Theoretisch! In der Praxis war es oft so, dass sich nicht alles mit umstellte und der Satz plötzlich ungrammatisch war, oder es stellten sich Satzteile um, die ich eigentlich so lassen wollte. Aber das war ja nur herumgespielt, jetzt geht es an die Arbeit.

 

Tag 1: Unbedingt von vorne nach hinten

Es geht schon los damit, dass DeepL natürlich »fat« mit »fett« übersetzt. Das ist meiner Meinung nach nicht richtig, »fat« ist bei Menschen eher »dick«, weil »fat« und »dick« beide neutral sind und »fett« pejorativ; aber diese Übersetzung scheint sich auch im Deutschen immer mehr durchzusetzen – sei es aus Faulheit, oder weil es ähnlich klingt, was ja bei Literaturübersetzungen auch ein Aspekt sein darf, oder im Sinne der Aneignung, in Anlehnung an die fat acceptance-Bewegung aus dem englischsprachigen Raum. Ich werde es jedenfalls mal ändern, und weil ich im Workshop gelernt habe, dass das geht, im DeepL-Glossar so anlegen. Ich lege ein neues Glossar an, mit dem ersten Eintrag »fat« als »dick« und aktiviere den Schieberegler neben »Glossar«.

Dann kommt eine Auflistung von Euphemismen für dicke Leute: »Not chubby or fluffy or husky or curvy—fat.« Da versteht DeepL natürlich den Kontext nicht; er bietet an: »mollig oder flauschig oder buschig oder kurvig-fett« (man beachte den Gedankenstrich; noch so eine Sache, die er einfach nicht kann! Ich kopiere mir einen Halbgeviertstrich aus Word in DeepL). Zwei von vier DeepL-Lösungen sind keine Synonyme von »dick«, ich suche welche raus, die besser passen. Dann die »oders«. Darum kümmere ich mich später.

Den nächsten Satz stelle ich um und frage mich, ob ich die Pfundangaben umrechnen soll. Ich klicke auf die vorgeschlagene Zahl 342, und DeepL bietet mir andere Zahlen an, die dieser Zahl offenbar ähneln, denn sie bestehen ebenfalls aus Ziffern. Keine der angebotenen Zahlen entspricht etwa der Hälfte von 342. Wenn ich auf »Pfund« klicke, bietet er zwar »Kilo« an, die Zahl bleibt aber gleich. Das wäre doch sicher eine Sache, die man recht einfach implementieren könnte, Google kann das doch schließlich auch: Gewichte, Maße usw. umrechnen. Ich rechne also selbst um (bei Google). Das Gleiche bei der Kleidergröße, ich habe keine Ahnung, was diese Größe bedeutet; daher nehme ich an, der Großteil der potentiellen Leser*innen auch nicht; ich werde also umrechnen. Die 26 entspricht der deutschen Konfektionsgröße 56. Ich ändere das manuell und will dann auch noch das vorgeschlagene »Frauengröße« auf »Kleidergröße« ändern, da ändert sich die 56 wieder zurück in eine 26. Nachdem ich es also wieder in 56 geändert habe, entscheide ich mich doch, die Pfund auch noch umzurechnen, da macht er wieder eine 26 aus der 56! Die Reihenfolge scheint also wichtig zu sein. Man muss unbedingt von vorne nach hinten arbeiten.

 

Ich fühle mich bevormundet

Als Nächstes bleibe ich bei »super morbidly obese« hängen. Ich weiß nicht, wie das auf Deutsch heißt, DeepL weiß es offenbar auch nicht, er bietet »super morbid fettleibig« an. Ich lese mich also ein; finde englische Artikel, denen zufolge die Adipositas Grad III (um die geht es hier) noch weiter nach oben ausgebaut wird, eine Kategorie davon ist ebenjene: »super morbidly obese«. Finde dazu aber nichts auf Deutsch. Normalerweise würde ich das jetzt für später markieren und weitermachen. Das geht hier aber nicht, weil ich Angst habe, dass es mir später den ganzen Text zerhaut, wenn ich nachträglich etwas ändere. Ich entscheide mich also provisorisch für »extrem krankhaft adipös«, aber sobald ich »super« in »extrem« ändere, verschwindet »morbid/krankhaft«. Ich denke, es liegt vielleicht am aktivierten Glossar-Schieberegler, weil sich bei der ersten Änderung auch die folgende Übersetzung von »extremely obese« ändert. Ich deaktiviere also das Glossar, und ein Großteil (nicht alle!) meiner Änderungen in den vorherigen Sätzen werden rückgängig gemacht. Welche, darin kann ich kein System erkennen. Auch wenn ich den Regler wieder aktiviere, kommen sie nicht zurück – nicht einmal »fat/dick« aus dem Glossar. Ich kann so nicht arbeiten!

Ich entscheide mich, von jetzt an die (vorläufig) fertigen Sätze in Word zu kopieren und damit zu »retten«. Zuerst muss ich aber vorne alle meine Änderungen aus dem Gedächtnis wiederherstellen.

Weil es DeepL anbietet, nehme ich »obese« als »adipös« ins Glossar auf. Wenn ich darüber nachdenke, ist das vielleicht keine gute Entscheidung, weil das Wort im Text bestimmt sehr oft vorkommt und ich ja noch gar nicht weiß, ob ich es immer so übersetzen will. Aber das wird sich zeigen, auch, ob es mir gelingt, mein eigenes Glossar zu überstimmen. Ich schaffe es aber nicht, DeepL dazu zu bringen, dass er den Ausdruck »super morbidly obese« genau so hinschreibt, wie ich es will. Ich darf entweder schreiben »super krankhaft adipös« oder »extrem adipös«, aber nicht »extrem krankhaft adipös«; warum auch immer (übrigens rutscht beim Umstellen immer auch ein Leerzeichen vor das hintere Anführungszeichen, das da nicht sein sollte). Ich fühle mich bevormundet. Ich kopiere den Satz und ändere die Stelle in Word.

Ich sitze jetzt seit knapp zwei Stunden an der Übersetzung und bin beim vierten Satz. Natürlich protokolliere ich sonst auch nicht meine Arbeit mit. Jedenfalls bin ich völlig fertig mit den Nerven und höre auf für heute.

 

Tag 2: Aufpassen wie ein Fuchs

Ich musste an eine Stelle aus dem Buch über die Maschinenstürmer denken, das ich letztes Jahr übersetzt habe. Da ging es darum, dass die Maschinen, die eigentlich unser Leben erleichtern sollen, Ansprüche an uns stellen, um zu funktionieren, was dazu führt, dass wir uns verrenken, um unser Handeln den Bedürfnissen der Maschine anzupassen. Genau das scheint mir hier auch zu passieren. Ich versuche zu verstehen, wie DeepL »denkt«, und meine Arbeitsweise entsprechend anzupassen. Dabei sollte es doch eigentlich andersherum sein. Meine Arbeit wird dadurch fehleranfälliger (weil ich die »Denkweise« offenbar nicht verstehe), komplizierter und das Ergebnis schlechter. Aber gut, auf zum fünften Satz!

Trotz aktiviertem Glossar (fat = dick) schreibt DeepL: »Obwohl mein Körper nicht der fetteste ist, den es gibt, ist er der fetteste, den der BMI erahnen lässt.« Liegt es an der Flektion? So dumm kann er doch nicht sein. Ich würde gerne den zweiten Satzteil so umstellen, dass BMI nicht das Subjekt ist (»der mittels des BMI …«), aber das scheint nicht möglich. Ich lasse es also so, ich will ja nicht schummeln. Im folgenden Satz würde ich gerne bei »… je nach Schnitt der Kleidung« »der Kleidung« löschen, auch das geht nicht per Drop-down. Aber natürlich geht es manuell. Das mache ich.

Ich editiere relativ unambitioniert weiter, ändere nur das Nötigste und kopiere die Sätze in Word.

Im dritten Absatz übersetzt DeepL »Friends, family, strangers, and coworkers« mit »Freunde, Familienangehörige, Fremde und Arbeitskollegen«. Natürlich, denkt man – aber nein! Bei meinen Experimenten in den letzten Wochen habe ich, wie gesagt, immer mal wieder Textteile meiner aktuellen Übersetzung durch DeepL gejagt. Dabei handelt es sich um einen Sammelband einer Polit-Gruppe mit unterschiedlichen Autor*innen. Und DeepL hat gegendert. Aber nicht nur das, er hat auch in unterschiedlichen Textteilen unterschiedlich gegendert; mal mit Sternchen, mal mit Unterstrich, mal mit generischem Femininum (! ja, es ist eine feministische Gruppe), dann aber auch mal wieder nicht. Offenbar ist er mit genug linken Polit-Texten gefüttert worden, um das Prinzip zu kennen und auch die Textsorte (?) zu erkennen, in denen das angebracht ist. Wie er entscheidet, ob und wie er gendert, erschließt sich mir natürlich nicht. Hier macht er es jedenfalls nicht, und er bietet es auch im Drop-down nicht an. Also mache ich es auch erst mal nicht. Ich möchte die »bariatrischen Chirurgen« in einen »bariatrischen Eingriff« verwandeln, aber das scheint außerhalb der Vorstellungskraft der Maschine zu liegen. Ich ändere es manuell, dann stelle ich fest, dass sich irgendwie (wann?) die »Familie« vom Satzanfang wieder zurück zu »Familienangehörige« geändert hat. Ich muss wirklich aufpassen wie ein Fuchs, sonst jubelt mir DeepL doch immer seine favorisierte Variante unter.

Die Arbeit funktioniert nur, wenn man jeden Satz hintereinander und jeden Satz nur von vorne nach hinten bearbeitet. So arbeite ich aber nicht – vermutlich arbeitet niemand so. Natürlich fällt mir, wenn ich eine Stelle lese, manchmal auf, dass eine Stelle weiter oben damit korrespondiert, und dann will ich oben ändern, bum, sind alle Änderungen danach futsch. Das gleiche innerhalb des Satzes. Wenn ich erst hinten ändere und dann vorne, rutscht es hinten wieder zurück. Inzwischen weiß ich aber nur noch ungefähr, wie ich es eigentlich wollte, und so hechele ich die ganze Zeit der scheinbaren Willkür oder Renitenz meines Hilfsmittels hinterher.

Je weiter ich mit dem Editieren voranschreite – ich versuche jetzt, ganz stringent geradeaus zu arbeiten, was der Qualität des Ergebnisses erkennbar abträglich ist –, desto mehr fällt mir auf, wie beschränkt mein Spielraum eigentlich ist. Auch wenn das Drop-down-Menü eine endlose Fülle an Alternativen suggeriert, geht vieles von dem, was ich instinktiv machen will, eben nicht. Große Umstellungen im Satz, Perspektivumkehrungen, Eliminierung von redundanten Satzteilen, das sind ja eigentlich ganz normale Eingriffe. Hier aber nicht darstellbar. Das Ergebnis ist eine Satzstruktur im Deutschen, die durchgehend an der englischen Satzstruktur klebt und auf Dauer natürlich entsprechend blöd klingt.

 

Ein ganz okayer Thesaurus

Ich bin inzwischen bei den »disembodied shouts«; »körperlose Rufe« schlägt er vor. Das würde ich gerne irgendwie anders sagen und hoffe, dass DeepL mir hilft, eine gute Alternative zu finden. Aber keiner der Vorschläge trifft auch nur annähernd das, was dort offenbar gemeint ist: »gespenstisch, leblos, verkörpert«. Mangels Alternativen lasse ich die Stelle so. Auch mit der wörtlichen Rede scheint es Probleme zu geben. Die Rüpel aus den vorbeifahrenden Autos siezen die Erzählerin, während sie sie beleidigen, und den größten Kompromiss, den ich DeepL entlocken kann, ist »STEIGE AUS UND GEHE«. »STEIG AUS UND GEH« wird nicht angeboten, ganz andere Varianten (Mündlichkeit!) schon mal gar nicht. Ich bin so frei und ändere »steige« und »gehe« manuell in »steig« und »geh«. Auch im übernächsten Satz würde ich gerne etwas Größeres ändern: Weil die »Einladung« schon im vorhergehenden Satz eingeführt wird, würde ich sie in diesem gerne elliptisch weglassen. Geht aber nicht. Am Ende hätte ich gerne »die immer gleichen Sprüche zu klopfen«, was nicht nur lexikalisch, sondern auch grammatisch anders ist als das vorgeschlagene »die die gleichen Pointen immer und immer wieder aufsagen«. Auch das ist nicht machbar. Ich ändere es manuell. Im Grunde ist dieses Programm ein ganz okayer Thesaurus ohne Tippen und Blättern, mehr aber auch nicht.

Im nächsten Satz gelingt es mir erstmals, die vorgeschlagene Satzstruktur per Drop-down umzubauen! Im darauffolgenden, dem Satz mit den vielen Verben (»weil sie befürchten, dass ich der Meinung bin, ich verdiene genauso viel zu essen wie sie«), darf ich immerhin eine Drehung auslassen (»dass ich mir … gönne«). Aus »anti-fat-attitudes« macht er entgegen unserer Vereinbarung wieder »fettfeindliche Haltungen«, ich darf aber in »dickenfeindlich« ändern. Den nächsten Satz würde ich gerne in zwei Sätze trennen; das wird aber nicht angeboten. Ich mache es manuell. Immerhin bietet er mir, nachdem ich einen Punkt setze, bald einen passenden Anschlusssatz an.

Immer wieder passiert es mir beim Bearbeiten, dass ich entgegen meinem Vorhaben doch in die gewohnte Arbeitsweise verfalle und einen Satz nicht komplett linear bearbeite. Nur durch Zufall stelle ich dann fest, dass hinten schon wieder nicht mehr steht, was ich dort haben wollte.

Dann bin ich beim »abuse«. Gar nicht so einfach; ich entscheide mich in der ersten Instanz für »Übergriffe«, später sehe ich, dass das Wort in den folgenden Sätzen immer weiter verwendet wird, und bald erscheint mir »Übergriffe« eigentlich zu harmlos. Aber da ich ja meine Sätze immer einzeln in Word hinüberrette und mich außerdem nicht mehr traue, irgendetwas zu verändern, was weiter vorne liegt, bleibe ich zähneknirschend bei »Übergriffe«. Genau so was passiert dann nämlich. Ich schränke mich selbst ein, weil ich die Bevormundung durch die Maschine antizipiere.

»Who will shout at me?« ist die nächste Frage, und ich hätte eigentlich gerne »Wird mich jemand anschreien?« Das wird aber nicht angeboten, stattdessen aber »Ist das ein Problem:« (Ein Problem ist tatsächlich, dass das Drop-down-Menü so schmal ist, dass dort immer nur ein Wort, manchmal zwei kurze Wörter zu lesen sind. Ich muss also raten, wie der vorgeschlagene Satz weitergehen könnte.) Immerhin ergänzt er den von mir gewünschten Satz, als ich »Wird« tippe. Beim nächsten Satz, einer analog dazu aufgebauten Frage, wird mir natürlich die gewünschte (analoge) Variante trotzdem wieder nicht angeboten. Hier klappt dann auch der Trick mit dem manuellen neuen Satzanfang nicht. Im Satz mit dem Blickkontakt musste ich manuell etwas (»von Vielen«) einfügen, weil der Satz sonst ungrammatisch wäre (das »ihr Urteil« hätte keinen Bezug).

 

Holprig und hanebüchen

Im Satz mit dem »soft and certain marrow« kommen DeepL und ich an unsere Grenzen. Ich will das mit der »reckoning« irgendwie anders, ahne aber nur undeutlich, wie genau. Ich klicke mich durch die Vorschläge, der Satz wird immer bekloppter (»… dass die Übergriffe, denen dicke Menschen ausgesetzt sind, kein Verständnis dafür haben, dass damit gerechnet werden muss«) und hat am Ende überhaupt nichts mehr mit dem zu tun, was auf der anderen Seite steht. Ich würde gerne zurück zur ersten Variante und noch mal von vorne anfangen, aber das geht nicht. Wir haben beide vergessen, wie es war. Mehr schlecht als recht holpere ich mich zu einer Fassung, die immerhin alles enthält, aber immer noch hanebüchen klingt. Den Rest mache ich mal wieder manuell.

Dann haben wir wieder die »anti-fat attitudes«. Ich hatte ja oben schon mal »dickenfeindlich«, nun will ich aber »Dickenfeindlichkeit«. Das gibt’s aber nicht, dafür gibt es aber einen ganzen Strauß abstruser Vorschläge (»Anti-Fett-Haltung«). Ich ändere manuell und würde eigentlich auch oben noch mal ändern, aber das geht ja nun nicht mehr. Tja! Dann bleibt es halt schlecht. Danke, DeepL.

Inzwischen merke ich, dass meine Geduld am Ende ist. Es könnte ja alles so einfach sein, ich wäre schon fünf Mal fertig und der Text in einem besseren Zustand, wenn ich nur machen könnte, wie ich will. Da ich aber ständig die dumme und renitente Maschine um Erlaubnis (Konsens?) fragen muss, komme ich nicht voran, und vor allem ist das Ergebnis mies. Aber immerhin bin ich durch. Das reicht dann auch für heute.

 

Tag 3: Klingt schon irgendwie richtig, aber …

Das Editieren in Word werde ich nicht kommentieren, es ist ja alles sichtbar. Nur so viel: Der Text ist eine Katastrophe und klingt trotz der vielen Arbeit, die ich schon in DeepL reingesteckt habe, immer noch so, als hätte ihn eine Maschine übersetzt. Wie viel ich da jetzt noch rausholen kann, werden wir sehen. Aber dass man in DeepL nicht zufriedenstellend editieren kann, habe ich jetzt hoffentlich bewiesen. Wie sich zeigte, war wirklich noch viel zu machen, und auch nach zwei Durchgängen bin ich immer noch nicht zufrieden. Ich habe den Eindruck, dass dieses charakteristische DeepL-Deutsch weiterhin durchscheint (man müsste sich mal die Mühe machen, diese Sprache zu analysieren und zu beschreiben, wobei sie sich ja vielleicht auch verändert, je besser die Maschine wird). Wenn der Mist erst mal da steht, ist es gar nicht so einfach, auf eine bessere Lösung zu kommen, weil es ja schon irgendwie richtig klingt. Ich kann diese Arbeitsweise jedenfalls nicht empfehlen (aber das wusste ich auch schon vorher).

Review

von Bettina Seifried


Als Verlaufsprotokoll gibt der Bericht anschaulich wieder, wie widrig und umständlich die Arbeit direkt im DeepL-Editor verläuft. Er spiegelt meine eigenen Erfahrungen mit dem fiktionalen Textausschnitt von Ferguson (Meet me in the Margins) – vor allem das nervenaufreibende automatische Zurücksetzen von bereits editiertem Material, falls an eine frühere Stelle bei der Korrekturarbeit im DeepL-Editor zurückgesprungen und nicht exakt linear optimiert wird. Auch das ermüdend ausufernde Angebot von »alternativen« Möglichkeiten aus der Dropdown- Liste wird schnell zur reinen Spielwiese, die den Text zwar kaleidoskopartig in viele Richtungen drehen und wenden kann, aber selten eine wirklich befriedigende Lösung bieten. So wird häufig viel Zeit verloren, ohne tatsächlichen Mehrwert zu erzielen.

Nachdem auch ich aufgrund der Aufgabenstellung zunächst brav im DeepL-Editor blieb, bin ich ähnlich wie die Protokollantin vorgegangen: Genervt von den Rücksetzungen und vielen Unmöglichkeiten – so sind viele Umstellungen innerhalb langer Sätze nur händisch im Editor möglich, führen aber an Stellen im Umfeld der Umstellung wieder zu Problemen, weil das Programm dann andere Stellen wohl pfadabhängig verändert – ging auch ich rasch dazu über, nach kurzem Überfliegen der angebotenen (Erst-)Fassung von DeepL plus kleinen Veränderungen noch im Editor an Stellen, die mir sofort als unbefriedigend oder in die falsche Richtung weisend auffielen, ganze Abschnitte nach Word zu migrieren, um dort unbehelligt von unerwünschten Veränderungen durch das DeepL-Programm weiterzuarbeiten. Parallel dazu habe ich den DeepL-Editor und die nur leicht von mir bearbeitete Fassung zwar offen gelassen, um hin und wieder die dortige Wortliste zu konsultieren, allerdings war auch das eher der Aufgabenstellung geschuldet, und die Verwendung dieses Tools ersetzte mein gewohntes Arbeiten mit den (auch listenartigen) Programmen woxikon, DWDS, manchmal linguee.de nicht, die als alternative Wort- und Phrasenlieferanten deutlich ergiebiger und weitreichender sind. Für einen Kurz-Check war die DeepL-Liste okay, weil es ein paar Klicks und Hüpfer zwischen verschiedenen Websites spart. Mein der Arbeit am Text jedoch dienlicherer Workflow bestand aus einer aufgeweichten Variante der Aufgabenstellung: Erste, relativ rohe Fassung mit ein paar kleineren Ersetzungen durch Listenklicks von DeepL in DeepL erstellen, dann ins Word-Programm übertragen und wie gewohnt weiterarbeiten, mit kurzen Rückblicken in die DeepL-Listen – die aber qualitativ kaum Mehrwert gegenüber meinen üblichen Werkzeugen brachten.

Dennoch kann DeepL etwas bieten, was die anderen Tools nicht können: In Sekundenschnelle eine Erstfassung/Rohübersetzung ins Deutsche erstellen (allerdings nur aus dem Englischen, für Französisch funktioniert es nicht, das Ergebnis ist erschütternd), die dann umfassend weiterbearbeitet werden muss. Für meine Arbeitsweise ist das eine kleine Zeitersparnis, denn wenn ich die Rohfassung ohne DeepL erstellen muss, dauert das deutlich länger und ist genauso (zwar an anderen Stellen, aber quantitativ ähnlich) überarbeitungsbedürftig, und meine Selbst-Redigate sind in aller Regel auch umfangreich. Ob es verallgemeinerbar ist, weiß ich nicht, möglicherweise hängt das auch von den verschiedenen Schreibtypen ab, die sehr unterschiedliche Strategien des Verfassens von Texten (und also auch Übersetzungen) ausweisen. Als – in der Typologie von Douglas Chandler – eher redaktioneller Typ mit oil-paintingstrategy-Tendenz (»Discoverer strategy of doing minimal pre-planning, jotting down ideas as they occur and reworking the text repeatedly«) kann ich dieser Rohfassung vielleicht mehr abgewinnen bzw. ähnliches wie der eigenen unvollendeten – anders als Text-Architekten (»conscious pre-planning and organization with only limited drafting and reviewing«) oder bricklayers-Typen (»polishing each sentence before proceeding to the next«).1

Eine gewisse Zeitersparnis ist für mich durch die Verwendung von DeepL durchaus drin – jedoch nur, wenn ich mein Ölgemälde dann in Word weitermalen darf und ich die Pingeligkeiten und redundanten Schritte der DeepL-Maske nicht in Kauf nehmen muss. Ein die eigene Kreativität einengendes Priming durch diese erste, nur leicht vorbearbeitete Version von DeepL, von dem bisweilen berichtet wird, kann ich für mein Vorgehen nicht bestätigen. Für mich ist DeepL ein Tool, das zwar für das Sprachpaar Englisch-Deutsch mittlerweile schon einiges »nicht ganz falsch« macht, es bietet dennoch nur ein Gerüst, an dem ich mich im Anschluss noch lange frei umherschweifend entlanghangeln muss, um es im Verlauf der Übersetzungsarbeit meist abzubauen. Der Verdacht, es könnte immer eine gelungenere Lösung geben als die von DeepL angebotene, hilft dabei. Auf die besten Lösungen komme ich eh, wenn ich gegen eine (halbgar) vorliegende antreten muss. Im Boxtraining nennt man es wohl Sparringspartner ☺

DeepLs erstaunliche Unfähigkeit, Maßeinheiten zu übersetzen, kann auch ich aus meiner Arbeit bestätigen: Da ergaben »5 feet« gute 1,80 Meter, und aus »3 feet« wurden »3 Meter« … Verstehe das eine, bei einer Rechenmaschine!

Das Glossar hatte ich zwar ausdrücklich nicht aktiviert, weil es Teil der Aufgabenstellung für Workflow 5 war. Allerdings klingt die dahingehende Beschreibung im Verlaufsprotokoll nicht nach einer Arbeitserleichterung. Abgesehen davon ist ein fiktionaler Text vielleicht auch nicht so Glossar-»bedürftig« wie ein Sachtext?

Interessant ist die im Protokoll erwähnte Erfahrung mit den polit-aktivistischen Texten und dem (wenn auch formal nicht einheitlichen) Gendern! Erkennt DeepL wirklich »Textsorten«? Deren Definition ist auch für versierte Linguist*innen nicht immer einfach. Was wird da getaggt, um das algorithmisch zu erfassen? Ich glaube nicht, dass erkannt wurde, dass es sich bei meinem Textausschnitt um »(Unterhaltungs-)Literatur« handelt. Die Bemerkung berührt jedoch die generelle Frage, ob DeepL Sätze mit oder ohne Ko-Text-Umgebung berücksichtigt bzw. wie umfangreich die Felder sind, in denen die Maschine die wahrscheinlichsten Anschlussmöglichkeiten und Kombinationen abprüft? Meine bisherige Erfahrung lässt mich eher vermuten, Sätze, nicht Absätze, sind die Grundlage sind, auf der DeepL operiert, aber das ist natürlich kein Beleg.

Man verfolgt amüsiert, wie die Protokollantin mit dem Programm kämpfte, trotzdem scheint mir Vorsicht geboten, dem Algorithmus immer wieder menschliche Eigenschaften zuzuschreiben (»seine favorisierte Version«, »Renitenz«, »Bevormundung« usw.). Gerade das führt vermutlich zu den großen »Enttäuschungen« im Umgang mit der Maschine und damit auch schnell zu einer umfassenden Entwertung der Leistungen, die sie erbringen kann. Ein weniger menschelnder Blick auf das Geschehen lässt die objektiven Möglichkeiten und Vorteile im Umgang mit dem Tools erkennen, ohne die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Der Algorithmus ist so programmiert, dass er sich ständig neue Wege durch die Flut an Anschlussmöglichkeiten sucht, die sein Input enthält, deshalb verändern sich nach jeder »Korrektur« die Satzketten zu neuen Mustern wie in einem Kaleidoskop. Wenn keine Anschlüsse oder Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden, bricht das Programm ab und setzt neu an. Funktionierte DeepL wie ein denkendes Wesen, wäre es längst an dem unendlichen Relais aus Wegen, Pfadänderungen und daraus abgeleiteten neuen Abhängigkeiten irre geworden. But it’s still a machine, stupid!

 

  1. Barton, D. (1994). Literacy: an introduction to the ecology of written language. Oxford: Blackwell, p. 173f.; Chandler, D. (1992). The Experience of Writing: A Media Theory Approach. Aberystwyth: University of Wales, p. 57-60.

 

Bild: Виталий Сова

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